Am Anfang


Willkommen an einem weiteren Brunnen in einer überhydrierten Wüste des Geistes!
Gewiss mag es sinnlos erscheinen, hier einen mehr oder weniger sinnvollen Beitrag
leisten zu wollen angesichts dieses Wustes an Informationen, Tipps und pseudophilosophischen sowie -literarischen Kommentaren zum Leben.
Aber was soll`s? Man kann es lesen oder kann es lassen, im Nachhinein ärgert man sich vielleicht über die vergeudete Zeit, oder man rettet sein Leben, vielleicht verwirre ich mehr, vielleicht bin ich die Nadel im Heuhaufen der letzten Strohhalme, wer kann das schon wissen...nichtsdestotrotz viel Spass und Inspiration beim Lesen.

Freitag, 26. November 2010

Der Sinn in Verzicht

Gleich zu Beginn: die Welt ist voll von Möglichkeiten sich zu berauschen.
Einige mögen sagen, um das Bewusstsein zu erweitern, andere wiederum sich zu betäuben.
Allein in meinem Viertel mit knapp 40.000 Einwohnern gibt es zahllose Kneipen, Getränkeläden und ebenso viele verfügbare Liter Alkohol, den darum betriebenen Kult mal außen vor gelassen.
Bis hierhin spricht auch nichts dagegen, denn gesellige Runden fördern meist auch gute und tiefgehende Gespräche zu Tage oder eben einfach nur Spass.
Die Kultur des Rausches war schon immer ein polarisiertes und polarisierendes Thema, ein Historiker geht sogar soweit zu behaupten, der Wunsch nach Rausch sei die Initialzündung für den Beginn des Ackerbaus gewesen
(Mc Govern, Patrick: "Uncorking the past" Berkeley 2009), dazu möge sich jeder selbst ein Urteil bilden. Fakt ist auf jeden Fall, dass Alkohol sowohl als Fluch und auch Segen betrachtet wird, in letzter Konsequenz jedoch eher als Fluch.
Unlängst ist im Spiegel Magazin Nr. 49 eine Mordstatistik veröffentlicht wurden:
"Die meisten Gewalttaten im Baltikum werden unter Alkoholeinfluss begangen,...".
Gerade im (post-)pubertären und adoleszenten Umfeld findet ein regelrechter Kult statt, man brüstet sich damit, betrachtet Konsum als stark, männlich und als so erwähnenswert, als würde man einen Berg besteigen.
Die darin befindliche Stärke kann man besonders gut in Großraumdiskotheken und des nachts auf der Strasse beobachten...es hieß, der Verzicht braucht Willensstärke aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass, nennen wir es ruhig beim Namen, maßloses Saufen eine wesentlich größere Willensstärke voraussetzt und so gewinnt man den Eindruck, dass einige Menschen sich mit aller Kraft ihrer Realität zu entreißen versuchen. Unter diesem Punkt betrachtet sollte man bedenken, warum der Wille zur Realitätsflucht größer ist als sich dieser zu stellen.
Aber um ein Urteil bezüglich des individuellen Genusses oder Missbrauchs soll es hier nicht gehen und damit zum Eigentlichen:
Schmeißen wir alle Pro's und Kontra's weg!
Jedes "es enthemmt", jedes "Suchtgefahr", jedes "vergessen wollen" und jedes "Kontrollverlust"...
Zum Pro: keiner kann oder sollte belehren und jeder bestimmt sein eigenes Maß.
Zum Kontra: keiner sollte es für nötig erachten, in seinem Verzicht etwas besseres und erhabeneres zu sehen und schon gar nicht glauben, dadurch etwas erstrebenswertes vorzuleben, denn "das Maß bestimmt die Droge" und so ist es mit jeder Regung menschlichen Seins.
Der persönliche Verzicht sollte in keiner Relation zum Konsum stehen, denn dadurch entsteht ein überheblicher Beigeschmack.
Für Menschen mit spriritueller oder religiöser Affinität verbietet es sich ohnehin, da das Gebot des Verzichts in fast jeder Religion oder Glaubensgemeinschaft eine Rolle spielt. Nicht, dass Gott (in menschlichen Kategorien gesprochen) einen Mensch an seinem Konsum beurteilt wohl aber an den daraus resultierenden Handlungen (sonst hätte Jesus von Nazareth wohl kaum Wasser in Wein verwandelt). Auch wenn ich mich hier hauptsächlich auf den Alkohol beziehe, im Endeffekt betrachtet man diesen bitte auch als Metapher für jegliche Art von Rauschmittel.
Es ist Tatsache, dass Alkohol desensibilisiert, sowohl sich selbst als auch sein Umfeld, und er fokussiert den Willen so weit, dass er schon wieder beengt. Die Gedanken unterliegen der Willkür der Gefühle, ohne Gefühle als etwas verdammenswertes zu betrachten, allerdings sind beide wie Waagschalen, die nach Ausgleich streben. Somit ist jede Trunkenheit ein massiver Eingriff in das Gleichgewicht der Seele, von daraus resultierenden eventuellen Fehltritten einmal abgesehen.
Er mag enthemmend sein, aber er legt gleichzeitig auch einen Schleier über das Tun und vor allem das Denken. Man mag mir Angst vor Unkontrolierbarkeit vorwerfen aber es ist eher die Schönheit der Dinge, sieht man sie in klarem Geist und Augen, denn nach einer gewissen Zeit machte sich bei mir ein Gefühl tiefster Dankbarkeit bemerkbar. Jedes Lachen und jedes Gespräch mit Fremden scheint umso intensiver und lebensnaher, je klarer man sie erlebt.
Lässt man sich darauf ein und vergisst alles Selbstgerechte und Hemmende stellt sich ein Zustand absoluter Gegenwärtigkeit seiner selbst ein, der wesentlich mehr Raum für seinen Gegenüber lässt als jeder trunkene Liebesschwur.
Unser Körper trägt jede Art von Rausch in sich, aber diese frei zu setzen bedeutet auch, jedem körperfremden Rausch eine Absage zu erteilen.
Natürlich geht es dabei nicht nur um das Emfpinden sondern auch um die Industrie, die dahinter steht, ohne irgendwelche Klischees bestätigen zu wollen, dennoch ist es Tatsache, dass die Kommerzkultur, die um die Droge veranstaltet wird mehr als widerlich ist.
Eine Industrie, die uns darin "Freiheit" vorgaukeln will, die uns ein Gefühl von Verbundenheit schaffen will ohne die Konsequenz des sozialen Drucks zu beachten...ich spreche aus eigener Erfahrung, wenn ich sage, dass es weniger die persönliche Absage ist als die ständigen Fragen, Witze usw. die es ungemein schwer machen und mehr als ein Mal zum Einknicken bewegen können. Wie tief steckt diese "Rauschneurose" denn, wenn man in einem Verzicht eine Art Selbstgeißelung oder Aufgabe des Spasses betrachtet, sich das Klischee vom Tee trinkenden, schüchternen und verklemmten Sensibelchen aufdrängt?
Es geht darin auch um ein Aufwachen aus einer weiteren Lethargie, die uns diese Gesellschaft injiziert hat, mit der pubertären Neugier beginnt und unter Umständen ein Leben lang wirkt...Nur ein Verzicht befreit aus jener "Neurose" und macht den Blick klarer und weiter, jeder Griff zur Flasche schnürt diesen wieder enger.
Das mag der schwerere Weg sein, aber welcher Garten wurde an einem Tag bepflanzt?
Niemand soll hier belehrt werden oder dies als Gesetz betrachten, dies sind einzig und allein Erfahrungen meinerseits ohne jedes Urteil oder Überheblichkeit, der Gegenentwurf zur Rauschkultur:
Freiheit heißt auch, Freiheit in Ketten zu finden, aber diese Illusion ist es, die uns Freiheit nie in uns selbst erleben lässt und was nützen uns ungebundene Hände mit gebundenem Geist?

Samstag, 6. November 2010

Der Glaube

Marie von Ebner-Eschenbach sagte einmal: "Wer nichts weiß, muss alles glauben" und was sagt dieses Zitat anderes als dass Glaube und Wissen sich zueinander gegenläufig verhalten?
Aber ist dem wirklich so? Ist ein gläubiger Mensch wirklich nicht mehr als das Klischee vom naiven und fanatischen Gutmenschen?
Meiner Meinung nach kann man das getrost verneinen, denn was wäre jeder einzelne Mensch ohne Glaube?
Wie kann man diesen überhaupt definieren? Viele verschiedene Faktoren bedingen ebenjenen, so zum Beispiel Erfahrungen, Weltsicht, Erziehung (Hand in Hand mit Religion und Kultur), Vertrauen, Hoffnung usw.
Sicherlich gehört auch eine gewisse Konstruktion dazu, gerade dann, wenn Religion einen nicht unerheblichen Teil ausmacht (ohne Religion als reine, menschengemachte Konstruktion abzutun).
Fakt ist auf jeden Fall, dass Glaube wie alles Andere dynamisch ist und jeden Moment einer Veränderung und "Neujustierung" unterliegt und mit Sicherheit auch eine gewisse Veranlagung vorhanden ist, so etwas wie ein Urglaube,
also ähnlich dem Mutter bezogenen Urvertrauen von Säuglingen.
Die Frage, die sich dann aber aufdrängt ist die nach seinem Inhalt, also ob es eher etwas spirituelles ist oder die Grundlage für Bewusstsein.
Diese Frage sollte man offen lassen, denn diese ist ironischerweise Glaubenssache...
Insofern könnte man Ebner-Eschenbach zustimmen, denn Glaube ist auch etwas intuitives und gefühlsbetontes und hängt wenig von Wissen ab und ist für meine Begriffe eins der urtümlichsten Regungen menschlichen Seins.
Was nun  den Unterschied macht ist die Motivation, die inhaltliche Essenz des Glaubens. Zu Beginn: jeder Mensch glaubt und es ist eher sekundär, was in dessen Fokus steht, sei es nun Gott, Gaja, man selbst, Geld, ein politisches Ziel oder ein anderer Mensch...der Glaube ist es, was alle Menschen verbindet aber auch voneinander trennt.
Aber eben auch trennt. Und da kommt der Inhalt ins Spiel: so wie der geneigte Kommunist und der Neofaschist politische Todfeinde sind oder der katholische Christ und der Neoheide auch wenig Überschneidungen im Glauben haben so liegt ihre Gemeinsamkeit im Glaube an sich. Alle moralischen und ethischen Maßstäbe außen vor gelassen sind wir Menschen alle gläubig, auch der sogenannte Atheist, der sich selbst als ungläubig bezeichnet allerdings nur Gott gegenüber, aber wo liegt der Unterschied, wenn man sein Vertrauen in sich selbst oder in eine omninatürliche Figur setzt?
Meiner Meinung nach nirgendwo, denn jede Art von Glaube setzt spirituelle Kräfte frei, egal ob man sich dessen bewusst ist oder es überhaupt so nennen möche. "Mit Glauben allein kann man sehr wenig tun, aber ohne gar nichts" und genau darauf kommt es an, nicht so sehr an was, sondern dass wir überhaupt glauben. Ohne ebenjenen hätte ein Mensch keinen Lebenswillen.
Sicher mag es schwer oder nahezu unmöglich sein, den Glauben eines Menschen an sich zu achten, vor allem dann, wenn es der eigenen Moral und Ethik völlig widerspricht, aber verdient die Leidenschaft und Hoffnung (in seiner Summe ebenjener Glaube) eines jeden Menschen  nicht schon einen gewissen Respekt?
Das soll nicht aussschließen, menschenverachtende Ideologien oder ähnliches weiterhin zu bekämpfen, aber im Endeffekt ist jeder Glaube die Motivation, der Motor für die Erfüllung des ureigenen Willens und dementsprechend immer spirituell. Man mag das nun für liberales Gutmenschengewäsch halten, doch ich bin überzeugt, würde unser qualitatives Urteil über andere Menschen mehr von der Intensität des Glaubens und weniger von dessen Inhalten abhängen,
wir könnten in jedem Menschen etwas höheres und lichteres entdecken.
Das Urteil über eine Seele liegt sowieso nicht in unserer Hand, wozu also seine Energie darauf verwenden wenn statt Hass und Ablehnung Inspiration und Kommunikation möglich sind?
An etwas zu glauben kann also nie verwerflich sein, da es eine natürliche und angeborene Kanalisierung von Hoffnung und Vertrauen ist, egal welcher Art der Glaube ist. Ich betone das deshalb nochmal, weil nicht der Eindruck entstehen soll, dass man jeder Person, die eine inhumane Auffassung von der Welt hat, die Hand geschüttelt werden soll, aber man sich bemüht, die Seele derer versucht zu erfassen und nicht nur ihre selbst konstruierte Existenzberechtigung, denn diese ist, wie bereits erwähnt, ständigem Wandel unterworfen, aber die Seele ist das, was Bestand hat.